Ein „weißer Fleck“ auf der Bildungslandkarte“ (TT Artikel vom 28.10.2018 von Sabine Strobl)

Ein „blinder Fleck“ auf der Bildungslandkarte(von Birgit Eder)

Ein inzwischen bereits Jahrzehnte altes Lamento, das in regelmäßigen Abständen gebetsmühlenartig vorgetragen wird, steht nun erneut im Raum: „Österreich ist Schlusslicht in der akademischen Ausbildung der Elementarpädagogen“ – das bedauert laut TT vom 28.11.2018 Thomas Schöpf, Rektor der Pädagogischen Hochschule Tirol.

Dass es nach wie vor hauptsächlich Elementarpädagoginnen sind, die (nicht akademisch) ausgebildet werden, sei als kleiner Hinweis vorangestellt und auch das ist nichts Neues. Auch das Wissen darüber, dass sich jeder Euro, der in die frühkindliche Bildung investiert wird, mit einer mindestens zehnfachen Rendite im Sinne eines „volkswirtschaftlichen Nutzens“ zu Buche schlägt, ist auf Basis zahlreicher Berechnungen bereits längere Zeit bekannt. Ebenfalls wissen wir seit geraumer Zeit, dass das sprichwörtliche Zuständigkeitswirrwarr, welches das System der Elementarpädagogik prägt, dringend notwendige Entwicklungen blockiert, in dem jeder immer für die konkrete Problemlage „leider nicht zuständig“ ist. So schieben sich Land, Gemeinden/private Träger und Bund/verschiedene Ministerien für verschiedene Themen die „heiße Kartoffel“ immer wieder zu und weisen auf die Zuständigkeit des jeweils andern hin. Zu all dem kommt ein (zurecht geforderter und geförderter) massiver Ausbau der Kinderbetreuungsplätze und damit der elementaren Bildungseinrichtungen hinzu. Diese Entwicklungen werden auf politischer Ebene ebenfalls seit nunmehr über zehn Jahren intensiv forciert, sodass die Dynamiken, die sich daraus ergeben (massiv steigender Bedarf an adäquater Aus-, Fort- und Weiterbildung) alles andere als überraschend sind, sondern von Beginn an absehbar waren. Als im Jahr 2009 die Diskussion rund um die PädagogInnenbildung NEU gestartet wurde (https://bildung.bmbwf.gv.at/schulen/pbneu/index.html) , hat sich die engagierte elementarpädagogische Community in diesen wichtigen Entwicklungsprozess eingebracht, mit der dringenden Forderung und dem Plädoyer, diese Gruppe des Bildungssystems in die Reform der pädagogischen Ausbildungen miteinzubeziehen und mit dem Ergebnis, dass von allen diesbezüglichen Zusprüchen und Absichtserklärungen nichts übrig blieb. Die PädagogInnenbildung NEU findet inzwischen wieder einmal abseits der Elementarpädagogik statt und sowohl die Pädagogischen Hochschulen als auch die Universitäten haben es offenbar nicht vermocht, sich in diesem Prozess nachdrücklich für den Einbezug der Elementarpädagogik einzusetzen. Umso verwunderlicher scheint es, wenn jetzt erst die Pädagogischen Hochschulen auf „einen weißen Fleck in der Bildungslandschaft“ hinweisen. Dieser „weiße Fleck“ existiert nämlich bereits gut sichtbar seit langem und viele Chancen, zu diesem „weißen Fleck“ Farbe zu bekennen, wurden auch von den Hochschulen über Jahrzehnte nicht ergriffen. Vielmehr scheint der zitierte „weiße Fleck“ seit geraumer Zeit eher ein „blinder Fleck“ zu sein. Ein Schelm, wer denkt, dass die neuerdings entfachte große Aufmerksamkeit an der Elementarpädagogik vielleicht eher mit eigenen Interessen, als mit den unmittelbaren und mittelbaren Interessen der Elementarpädagoginnen zu tun hat! Klar ist, dass nicht nur im Ausbau der elementaren Bildungseinrichtungen, sondern auch im Bereich der Aus-, Fort- und Weiterbildung Erweiterungen und Entwicklungen dringend erforderlich sind. Auch das ist kein überraschender Befund, schon längst hätte dies erkannt werden können und müssen, schon längst hätte darauf reagiert werden können und müssen. Bisweilen zeichnet sich noch nicht ab, dass die Brisanz der Situation von den zuständigen Entscheidungsträgern erkannt wird und dass mit den notwendigen Entscheidungen und der damit verbundenen Ressourcenbereitstellung reagiert wird.

Birgit Ed(ublogg)er(in)

Link zum TT Artikel: https://www.tt.com/panorama/gesellschaft/14942705/elementarpaedagogik-tirol-als-weisser-fleck-auf-der-bildungslandkarte

 

Wenn mir Würde wichtig ist, dann würde ich…..

Gerald Hüther; Würde – was uns stark macht – als Einzelne und als Gesellschaft; 2018

Gestern hat der bekannte deutsche Hirnforscher Gerald Hüther im Rahmen eines Vortrags (wieder einmal) in seiner beeindruckenden Art Klartext gesprochen und unter anderem folgendes gesagt: „Dass Kinder früher oder später die Freude am Lernen verlieren, ist kein Naturgesetz! Sie verlieren diese naturgegebene Freude, weil sie ihnen von Erwachsenen genommen wird, in dem ihnen jemand sagt: „Du kannst kein Mathe, du kannst nicht singen oder du bist unsportlich usw.“. Es ist also kein naturgegebener Vorgang, dass diese schier unbändige Freude am Lernen, wie wir sie von Kleinkindern kennen, einfach erlischt. Es sind ganz bestimmte Menschen, die uns im Verlauf unseres Lebens – meistens schon im Verlauf unserer Kindheit – dieser Freude berauben! Das, so Hüther, hat auch etwas mit Entwürdigung zu tun, indem der Mensch (das Kind) zum Objekt einer Bewertung gemacht wird, indem man ihm also sagt, dass er so, wie er ist, nicht passt. Und Menschen zum Objekt zu machen, sie also nicht als Subjekt (bedingungslos) anzuerkennen, bedeutet, sie ihrer Würde zu berauben. Und die Lust am Lernen bleibt dabei auf der Strecke….

Unter diesem Aspekt scheint mir das ständige Thema, wie eine „adäquate Schulvorbereitung“ auszusehen hätte, (in der Kinderkrippe wäre das dann wohl eine „adäquate Kindergartenvorbereitung“) nochmals mehr einer kritischen Betrachtung unterzogen werden zu müssen. Dieses Thema taucht bei jeder Gelegenheit wieder von Neuem auf und viele Elementarpädagoginnen sind nach wie vor verunsichert, was ihre Aufgabe und Rolle in dieser Thematik betrifft. Die Eltern wollen „das Beste“ für ihr Kind und haben daher den Anspruch an den Kindergarten, dass der Übertritt in die Schule reibungslos und erfolgreich funktioniert. Die Lehrer/innen setzen mit ihren Erwartungshaltungen dort an, wo die Kinder bestenfalls die Voraussetzungen mitbringen sollen, an die organisatorischen Strukturen der Schule, die ja häufig auch gleichzeitig die inhaltlichen Strukturen mitbestimmen, anzuschließen. Die Kindergartenpädagoginnen sehen sich von beiden Seiten (Eltern und Lehrer/innen) mit Erwartungshaltungen konfrontiert, hören die Botschaft, dass sie die Kinder bestens für die Schule „herrichten“ sollen, und übersehen in diesem Spannungsfeld häufig das Kind selbst. Spätestens dieser Zeitpunkt ist dann oft jener, wo Kinder zum Objekt gemacht werden (wenn das nicht bereits schon früher passiert ist, was auch nicht selten vorkommt) – zum Objekt der Schule und/oder auch zum Objekt der Eltern – wo sie dann erfahren, dass sie so, wie sie sind, nicht passend sind, dass da noch etwas besser  – oder einfach nur schneller  – gekonnt, mehr geübt oder gefördert werden müsste!

Ich plädiere daher dringend!!! dafür, dass…
…nicht die Kinder auf die Schule vorbereitet werden sollen, sondern dass sich die Schule auf die Kinder vorbereitet, die normalerweise mit einer überschäumenden Lern-Lust kommen und voller Fragen, Neugierde und Tatendrang sind,

…Elementarpädagoginnen und –pädagogen sich nicht selbst zum „Objekt anderer Interessen“ machen und unter dem Druck von Eltern und Lehrern Kinder zum „Objekt anderer Interessen“ machen und ihnen auf diese Weise viele Möglichkeiten verunmöglichen, die da noch gewesen wären,

…Elementarpädagoginnen und –pädagogen sowie Lehrer/innen keine „Pädagogik der Dressurakte“ mehr verfolgen, sondern sich eingehend damit auseinandersetzen, wie intrinsisch motiviertes Lernen funktioniert und wie ein passender Rahmen und eine dementsprechende „Kultur des Lernens“ in diesem Sinne sein müsste. Hierfür gilt es, sich als Pädagogin/Pädagoge Wissen UND ERFAHRUNGEN anzueignen, hierfür gilt es sich einzusetzen, wenn wir wollen, dass einer zukünftigen Gesellschaft bessere Möglichkeiten einer „weltschonenden“ Weiterentwicklung zur Verfügung stehen, als in der Vergangenheit und der Gegenwart!

Die eigene Würde zu behalten und anderen ihre Würde zu lassen ist – und das ist mir persönlich bei diesem Vortrag klar geworden – eine sehr unspektakuläre Entscheidung, die von jedem jederzeit getroffen werden kann und die in vielen Bereichen des täglichen Lebens ihren Ausgang nehmen kann – gerade auch in der Pädagogik.

Birgit Ed(ublog)er(in)